Thema des Monats November

Verbrechen in Geschichte und Archäologie

Seit es Menschen gibt, gibt es Verbrechen. Seit prähistorischer Zeit sind menschliche Gesellschaften auf Regeln angewiesen, die das Miteinander ordnen – seien es die zehn Gebote, die Gesetze der Nomotheten im klassischen Athen, der konfuzianische Sittenkodex im alten China, die römische Zwölftafelgesetzgebung oder unser heutiges Strafgesetzbuch. Und es hat immer Menschen gegeben, die gegen diese Regeln verstoßen haben…

Cornelius Hartz, aus dem Vorwort seines Buches „Tatort Antike“

Das Interesse an der interdisziplinären Erforschung von Kriminalität in der Antike und nachfolgenden Perioden hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Verbrechen jeglicher Art ist ein Thema, das jeden Einzelnen auf unterschiedlichste Art betrifft und neben Unbehagen und Ablehnung auch Faszination auslöst.

Dass dieses Interesse nicht nur für unsere heutige Zeit zutreffend ist, belegen historische Quellen. Bereits in der Antike fanden Verbrechen, oft inspiriert durch mythische Sagen, Einzug in bildliche Darstellungen, wie eindrucksvoll die folgenden Beispiele zeigen.



Naturwissenschaftliche Untersuchungen skelettierter und mumifizierter Überreste von Menschen, sind eine Möglichkeit, die die Wissenschaftler von heute zur Aufklärung von Verbrechen nutzen. Die wesentlichen Methoden der modernen kriminalistischen Tatortarbeit können grundsätzlich auch für die archäologische Bearbeitung von Tatorten der Vergangenheit herangezogen werden. In interdisziplinärer Forschungsarbeit rekonstruieren Wissenschaftler die letzten Stunden oder Tage einer vor langer Zeit verstorbenen Person, wobei diese nicht immer einem Verbrechen zum Opfer gefallen sein müssen. Molekularpathologische Untersuchungen wurden zum Beispiel an den Mumien von Ötzi und Tutanchamun vorgenommen. Die Ergebnisse im Fall Ötzi lieferten einen wichtigen Beitrag zur komplexen Besiedlungsgeschichte Europas. Aussagen zum schlechten Gesundheitszustand Tutanchamuns zum Zeitpunkt seines Todes, lieferten die Untersuchung der Mumie des jungen Pharaos.

Seiten 122 und 123. Beitrag „Ötzi und Tutanchamun – Molekularpathologie am Beispiel zweier Mumien“ aus dem Band „Tatorte der Vergangenheit – Archäologie und Forensik“ in der Reihe Theiss Edition AiD, herausgegeben von Wilfried Rosendahl und Burkhard Madea. S. auch den Literaturhinweis am Seitenende.

Auch die ANTIKE WELT hat sich bereits mit speziellen Aspekten von Verbrechen im Altertum befasst. Eine ganze Ausgabe widmet sich unter anderem dem Thema Frauenraub. Behandelt werden verschiedenste Aspekte von Raubehe, Entführung, Nötigung und Zwangsehe in der Antike und im frühen Mittelalter, in denen die Frau zum «Objekt der Begierde» wurde. Es werden archäologische und naturwissenschaftliche Daten, die Hinweise auf «Frauenraub» liefern, vorgestellt und Deutungsmodellen gegenübergestellt, die auf historisch überlieferten und mythologischen Beispielen beruhen.

EINE FRAGE DER EHRE? – MISSBRAUCH IN DER ANTIKEN HISTORIOGRAPHIE
Nicht nur im Mythos, auch in der antiken Geschichtsschreibung werden Misshandlungen von Frauen geschildert. Welche individuellen Schicksale Livius und Co. ins Zentrum rücken und was diese Berichte über das zugrundeliegende Frauenbild der Autoren aussagen, sind nur zwei spannende Fragen, die sich aus der Quellenlektüre ergeben.

Frauenraub im Altertum

Das Phänomen des «Frauenraubes» ist in der Alten Welt bereits seit Beginn der schriftlichen Überlieferung bekannt und war fest in den antiken Kulturen verwurzelt. Doch handelte es sich um gelebte Praxis oder nur um ein beliebtes Motiv in der antiken Mythologie und Ikonografie?

BEGEHRTE BEUTE – FREMDE FRAUEN ALS RAUBGUT IM ALTEN ÄGYPTEN
Lange Zeit waren Frauen in Ägypten ein wichtiger Teil der Kriegsbeute. In Inschriften und Grabmalereien ist greifbar, zu welchem Zweck sie geraubt wurden und dass erst im Neuen Reich auch ausländische Frauen als Beute galten.

HEIRATEN IM FRÜHEN MITTELALTER – DIE OPTION «FRAUENRAUB»
ALS DRUCKMITTEL FÜR EINE LEGALE EHESCHLIESSUNG
Obwohl im Mittelalter verboten, konnte zu dieser Zeit der Frauenraub ein probates Mittel für junge Paare sein, eine Heirat zu realisieren. Trotz des hohen Bußgeldes konnten der Mann und seine Verwandtschaft manchmal nur durch die Androhung des Raubs eine Eheschließung finanzieren.

Museen und Sammlungen thematisieren Kriminalität in der Geschichte in informativen Ausstellungen, u.a.:

Kriminalmuseum Rothenburg

Das mittelalterliche Kriminalmuseum in Rothenburg o.d.T.

wbg KulturCard-Partner

Das Museum ist ein deutsches Rechtskundemuseum und gibt einen Einblick in das Rechtsgeschehen der letzten 1000 Jahre. 2020 feiert es sein 100 jähriges Bestehen. Es zeigt 50.000 Exponate aus über 1000 Jahren europäischer Justizgeschichte mit dem Schwerpunkt Mittelalter. Aktuell zeigt das Museum eine Ausstellung zu Tieren in der Rechtgeschichte. Erste Eindrücke vermittelt die Krimipodcastserie des Museums „Das geheime Frankenland“.

Passende Bücher zum Thema

Hintergrundinformationen zu archäologischen Methoden der Verbrechensanalyse und spannende Berichte zu wahren, berühmten und weniger berühmten Verbrechen der Geschichte.
Alle Titel sind über den jeweiligen Link direkt bei der wbg bestellbar.

Cover Tatort Antike

Tatort Antike

Spannender als jeder Krimi: True Crime Stories aus der Antike

Der Philologe Cornelius Hartz beleuchtet Delikte, Ermittlungen und Strafen über einen Zeitraum von 1700 Jahren hinweg. Ihm gelingt die Balance zwischen faktenreicher Darstellung, fundierter Interpretation und bildhafter Schilderung des historischen Geschehens.

Tatorte der Vergangenheit

Tatorte der Vergangenheit

Archäologie und die Methoden der Forensik

Burkhard Madea und Wilfried Rosendahl haben zahlreiche Experten versammelt, die die vielfältigen Möglichkeiten der Rechtsmedizin und ihren Einsatz im Dienste der Archäologie vorstellen. Von der Altsteinzeit bis zum Zweiten Weltkrieg sind bekannte und illustre ›Fälle‹ vertreten.

Mord und totschlag

Spektakulären Verbrechen auf der Spur

Archäologie als Crime Scene Investigation

Mit modernen wissenschaftlichen Methoden rekonstruieren Anthropologen auch nach Jahrtausenden noch Lebensläufe der Opfer, berührende Einzelschicksale und Tathergänge. Manchmal gelingt es sogar, die Täter und deren Motive zu identifizieren.

Knochenarbeit

Knochenarbeit

Nichts für Zartbesaitete

Menschliche Skelettreste sind stumme Zeugen vom Leben unserer Vorfahren, aber auch von interpersoneller Gewalt. Kannibalen im Paläolithikum, eine fatale Zwillingsgeburt aus der Jungsteinzeit, ein Untoter aus dem Zabergäu, Gladiatorenschicksale, Leichendumping, Monstertumore: Joachim Wahl präsentiert ein Kaleidoskop an Fallbeispielen aus der anthropologischen Forschung.

Tod im Neandertal

Ungelöste Fälle der Archäologie

Archäologen ermitteln

Haben die Kelten Unschuldige bestialisch ermordet, um ihre blutrünstigen Götter zu besänftigen? Was legte Jericho, die älteste Stadt der Welt, in Schutt und Asche? Entdeckten US-Archäologen 2006 wirklich Spuren der Arche Noah?
Der Autor beschreibt die ungelösten Fälle der Archäologie, erläutert die jüngsten Sensationsfunde und spürt revolutionären Enthüllungen nach.

Tatort Mittelalter

Berühmte Kriminalfälle

Große Verbrechen und kleine Vergehen

Malte Heidemann und Franziska Schäfer stellen prominente Kriminalfälle des Hoch- und Spätmittelalters vor: darunter die spektakuläre und hochpolitische Entführung des minderjährigen Königs Heinrich IV., die zwielichtigen Umstände der Wahl Friedrich Barbarossas zum römisch-deutschen König oder die Folgen eines nur gedachten Ehebruchs.