Wein

Wein, Gelage, Trinkkultur

Wein – aus unserem Alltag kaum mehr wegzudenken – ist in der Urgeschichte ein relativ junges Phänomen. Der Erfolgszug der Rebe begann im Vorderen Orient, von wo sich das Gewächs in den Mittelmeerraum ausbreitete. Erst mit den Römern wurde Wein nördlich der Alpen in größerem Umfang angebaut. Ganz offensichtlich hatte das Weintrinken jenseits des Genusses immer auch eine besondere kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung.

Scherzgefäße – Schrecken, Staunen, Lachen machen

Gastgeber antiker Feste wollten ihre Gäste nicht nur mit erlesenen Speisen und Getränken bewirten, sondern auch unterhalten. Antike Technik lieferte dafür Objekte, die mit überraschenden Effekten aufwarteten. Es gab Trickgefäße und Brunnen, die scheinbar unerschöpflich waren oder Wasser in Wein verwandeln konnten. 

Seltener Nachweis der frühen Weinherstellung im Libanon entdeckt

Wein hatte im Mittelmeergebiet schon in der Eisenzeit eine große Bedeutung. Insbesondere durch die Phönizier, die Bewohner der östlichen Mittelmeerküste, wurde das Getränk beliebt und über ihre Handelswege verbreitet. Nun wurde bei Ausgrabungen im phönizischen Tell el-Burak die erste eisenzeitliche Weinpresse auf dem Gebiet des heutigen Libanon entdeckt

Das Weinhistorische Museum in Armenien

Eines der führenden Zentren des Weinbaus und der Weinherstellung ist der Nahe Osten, wo das armenische Hochland Teil der asiatischen Grenze ist. Dort domestizierten die Menschen vor etwa 8000 Jahren durch natürliche Auslese wilde Weintrauben.

Wein Cover Archäologie in Deutschland 123

Das Thema exklusiv in der Ausgabe 1/2023 von AiD

Wein – Vom Göttertrank zum Gaumenkitzel

Unser Wissen über das Weintrinken in der Ur- und Frühgeschichte sowie der Antike beruhte lange Zeit auf Schriftquellen und bildlichen Darstellungen. Chemische Analyse – methoden änderten dies: Sie eröffnen uns einen neuen Blick, der zunehmend Licht ins Dunkel des Einzugs der Rebe in die verschiedenen Kulturen bringt.

Nach der Domestikation in Vorderasien breitete sich der Weinbau im Zuge der Entwicklung der Fruchtbaumkultur über das ganze Mittelmeergebiet aus. Erste schriftliche Quellen aus Ägypten datieren in das späte 4. Jt. v. Chr., und auch im Alten Orient sind Weinimport und -konsum dank Keilschrifttexten gut erforscht, beispielsweise im ostsyrischen Stadtstaat von Mari im 2. Jt. v. Chr. Während die einschlägige griechische Literatur verloren ging, sind wir über den römischen Weinbau bis in technische Einzelheiten gut unterrichtet. Die wichtigsten Autoren dazu sind Cato der Ältere, Columella, Plinius der Ältere und der Jüngere sowie Varro. In ihren Werken werden bereits alle Fragen abgehandelt, die bis heute den Weinbauern beschäftigen.

Die Anlagen wurden als Monokulturen in strenger geometrischer Ordnung angelegt. Nur die Bauernweingärten hatten Wein, Getreide und Ölbäume im Mischsatz. Außer Erziehung ohne Unterstützung gab es Einzelpfahl-, Pergola- und rahmenartige Unterstützungen sowie Naturunterstützung mit lebenden Bäumen. Diese ist jedoch gefährlich: Die Rebe ist dann vor allem damit beschäftigt, lange Triebe in die benachbarten Bäume zu entsenden, anstatt süße Trauben auszubilden. Gedüngt wurde mit Mist und Kompost, der Boden etwa dreimal im Jahr gehackt und die Reben teilweise gepfropft.

Die Erträge lagen im Mittel um 2000, in der Spitze bei 30 000 Liter pro Hektar. Die Trauben wurden mit den Füßen in Bottichen eingemaischt, abgepresst, in großen, in den Boden eingelassenen Tongefäßen (dolia) vergoren und im Frühjahr abgestochen. Nur der einfache Tafelwein verblieb auf der Hefe und wurde innerhalb eines Jahres ausgeschenkt. Alles, was älter als ein Jahr war, galt als alter Wein. Dazu zählten begehrte und weit verhandelte Qualitätsweine wie der Falerner aus Kampanien. Es gab Rot- und Weißwein und bereits viele Sorten unterschiedlicher geografischer Herkunft. Weinbau und Weinhandel waren wichtige Wirtschaftsfaktoren. Das übliche Transport- und Lagergefäß war die Amphore, im Norden seit der späten Eisenzeit auch das Fass aus Tannenholz, offenbar eine keltische Erfindung, und Haupttransportmittel das Schiff.

Weinpanscherei war schon weit verbreitet, wie entsprechende Klagen zeigen. Sehr beliebt war ein mit Honig versetzter Wein (lateinisch »mulsum«), der in koptischen Amphoren in Ägypten auch tatsächlich nachgewiesen wurde. Auch ins Grab wurden Trinkgefäße mitgegeben. Im Gegensatz zu Griechen und Römern betrieben die Kelten nach derzeitigem Kenntnisstand wohl keinen eigenen Weinbau, sondern importierten das fertige Getränk aus dem Süden, wo sich auch entsprechende Mischgefäße mit Gelagedarstellungen erhalten haben. Erst in römischer Zeit ist Weinbau für die linksrheinischen Gebiete Mittel- und Westeuropas gesichert, und zwar für die klassischen Weinbaugebiete wie an der Mosel. Auch für die rechtsrheinischen Gebiete an Main und Neckar kann man Weinbau bereits in römischer Zeit annehmen, denn im deutschen Südwesten sind Traubenkernfunde aus der römischen Kaiserzeit etwa ebenso häufig wie im Hochmittelalter.

Trinkgelage nördlich der Alpen – Wein und Bier bei den frühen Kelten

Importierte Trinkgefäße ließen schon lange vermuten: Die Kelten liebten es, mediterranen Trinksitten nachzueifern. Analysen von Rückständen an den Innenseiten dieser Gefäße bringen an den Tag, wie ihre Ess- und Trinksitten tatsächlich aussahen.

Lange hatte die Forschung angenommen, dass die keltische Elite die eingeführte Keramik zum exklusiven Genuss importierten Traubenweins nutzte. Eine der zentralen Anliegen von BEFIM (»Bedeutungen und Funktionen medi terraner Importe im früheisenzeitlichen Mitteleuropa«) war es, diese These zu hinterfragen. Was bleibt nun nach bislang 232 ausgewerteten Rückstandsanalysen dazu zu sagen? Vielleicht trifft es ein »ja, auch« am besten? Ja, die Plateaubewohner der Heuneburg und des Mont Lassois drückten im späten 6. und frühen 5. Jh. v. Chr. offenbar ihre hohe Statusposition ebenso in der Architektur als auch durch den Konsum von Traubenwein mittels importierter Keramik aus dem Mittelmeerraum aus. Im Fall der Heuneburg scheint es ihnen gelungen zu sein, ein zuvor von vielen Bewohnern in ganz unterschiedlichen Kontexten und aus ganz verschiedenen Gefäßen konsumiertes Getränk auf sich festzulegen. Der übrigen Bevölkerung blieb nur noch der Konsum eines Obstweins aus einer anderen Frucht als der Traube, der nun in Trinkgefäßen serviert wurde, die aus einheimischer Keramik gefertigt waren.

Die Lust am Traubenweinkonsum hatten die frühen Kelten auf der Heuneburg aber sogar schon vor der Errichtung der Lehmziegelmauer entdeckt. Als die Mauer bestand, die so offensichtlich auf den engen Kontakt mit dem Mittelmeerraum verweist, kam Traubenwein in nicht geringen Mengen zur Heuneburg und erfreute sich großer Beliebtheit – bis die Umbrüche am Ende der Lehmziegelphase vermutlich auch zu einer Neubewertung von Traubenwein führten. Wie die Ergebnisse vom Mont Lassois zeigen, war es aber wohl nicht der Wein an sich, sondern sein Konsum in mediterraner Importkeramik, mit dem sich die Elite abzugrenzen versuchte – eine Elite, die zugleich völlig unproblematisch aus attischen Schalen auch gerne mal ein Bier trank.


Bollwerke AiD 519

Der vollständige Artikel exklusiv in der AiD 519