Thema des Monats Juni

Umweltarchäologie

Moderne Archäologie erforscht alle Facetten menschlichen Lebens. Dies umfasst auch, die Auswirkungen von klimatischen Veränderungen auf die Umweltbedingungen, in denen Menschen in der Vergangenheit lebten, aber die sie auch beeinflussten.

Archäologische und historische Quellen zeigen, dass die Lebensbedingungen seit jeher von den jeweiligen klimatischen Voraussetzungen abhängig waren. Ein Blick in die Zeit vor Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881 macht deutlich, welche Konsequenzen schwankende Temperaturen, variierende Regenmengen, Sonnenintensität sowie Veränderungen des Meeresspiegels hatten.

Es ist eine in der Zukunft zu bewältigende Herausforderung für die archäologische und historische Forschung gemeinsam mit der Klima- und Umweltforschung detaillierte und regional differenzierte Szenarien über die Klimaentwicklung und ihre Folgen für die Umwelt, aber auch das Siedlungsverhalten zu erstellen.

Klimawandel Cover AiD 322

Auf und Ab – kulturelle Anpassungen am Ende der Eiszeit

Auszug aus dem Artikel von Thomas Terberger in AiD 322

Der Klimawandel ist im Alltag angekommen: Die mittlere Jahrestemperatur ist um etwa 1 Grad Celsius angestiegen, extreme Wetterlagen nehmen zu. Angesichts der gewaltigen Herausforderungen wünschen sich viele Menschen die »gute alte Zeit« zurück, als ein Winter noch Schnee garantierte. Dabei war das Klima der Vergangenheit alles andere als konstant.

Besonders dramatische Klimaveränderungen brachte das Ende der letzten Eiszeit. In den Bohrkernen aus dem »ewigen« Eis Grönlands ist die globale Temperaturentwicklung erstaunlich genau gespeichert. Jährliche Ablagerungen zeigen mit ihrem Sauerstoffisotopen Verhältnis die Intensität der Verdunstung an. Aus diesen Werten lässt sich für die Zeit vor etwa 15 000 bis 11 000 Jahren eine klimatische Achterbahnfahrt ablesen.

Um 12 700 v. Chr. leitete ein rapider Temperaturanstieg die finale Phase der Weichsel- Eiszeit ein. Die Gletscher waren bereits weit bis nach Skandinavien abgeschmolzen und das Gebiet der heutigen Nordsee lag trocken. Diese erste Erwärmung – heute zumeist als Meiendorf-Interstadial (ca. 12 700 – 12 100 v. Chr.) bezeichnet – ist in den Seeablagerungen Norddeutschlands als erste leicht humose Schicht zu erkennen.

Die vollständigen Beitrag und weitere Themen finden Sie im AiD Heft 3/2022 „Klimawandel“

Nachlese

Speziell die AiD hat in der Vergangenheit zum Thema Umwelt und Klima berichtet. Hier einige Meldungen der letzten Wochen zum nachlesen.

Wie gingen die Menschen an der Adria mit Umweltveränderungen während des Paläolithikums um?

Unsere paläolithischen Vorfahren besiedelten neue Gebiete und übernahmen neue Techniken, um mit den großen Umweltveränderungen fertig zu werden. Dies hat ein internationales Archäologenteam unter der Leitung von Aitor Ruiz-Redondo, Juan de la Cierva-Forscher am Universitätsinstitut für Umweltforschung (IUCA) der Universität Zaragoza, bestätigen können.

Umweltarchiv Hallstätter See: Bislang tiefste Sediment-Bohrung gelungen

Die steinzeitliche Besiedlungs- und Salzbergbaugeschichte im Alpenraum ist bis heute nicht vollständig geklärt. Ebenfalls fehlen oftmals belastbare Daten zu Umwelt- und Klimaveränderungen oder meteorologischen sowie geologischen Extremereignissen der damaligen Zeit, um Umwelt-Mensch-Umwelt-Wechselwirkungen zu verstehen.

Warum verließen die Wikinger Grönland?

Lange Zeit herrschte die Meinung vor, dass die kälteren Temperaturen im Zusammenhang mit der Kleinen Eiszeit dazu beitrugen, dass die Kolonien nicht überlebensfähig waren. Neue Forschungsergebnisse unter der Leitung der University of Massachusetts Amherst, die kürzlich in Science Advances veröffentlicht wurden, stellen diese alte Theorie jedoch in Frage.

Das Erdklima wird von drei Faktoren bestimmt: der Menge an Sonnenlicht, die verschiedene Teile des Planeten erreicht, den Meeresströmungen, die Wärme auf der Welt verteilen, und den Treibhausgasen, die die Wärme festhalten. […]

Man nimmt weithin an, das Erdklima sei vor der industriellen Revolution und dem Verbrennen fossiler Brennstoffe vor zweieinhalb Jahrhunderten allein von Naturkräften bestimmt worden. Tatsächlich ist das relativ stabile Klima, das im Menschen und Klimawandel größten Teil der Welt in den letzten 12000 Jahren, dem sogenannten Holozän, herrscht, durchaus abnormal. Weil die Zyklen der Sonneneinstrahlung regelmäßig und vorhersagbar sind, hätte sich das Klima der letzten 10000 Jahre längst abkühlen und einer neuen Eiszeit annähern sollen.

Auszug: Daniel R. Headrick „Macht euch die Erde untertan“

Macht euch die Erde untertan

Als sie Pflanzen und Tiere domestizierten, lernten die Menschen, auch das Wasser zu kontrollieren. An besonders bevorzugten Orten, wo es guten Boden, warmes Klima und Zugang zu Frischwasser gab, aber der Regen selten oder zur falschen Zeit fiel, erlaubte die Wasserkontrolle den Bauern erstaunliche Erträge. Reiche Ernten wiederum haben zwei Arten von Auswirkungen.
Sozial gesehen führten sie zum Bevölkerungswachstum, das in einem sich selbst verstärkenden Mechanismus mehr Wasserkontrolle und eine intensivere Landwirtschaft erlaubte. Reichlich vorhandene Nahrung erlaubte auch, dass ein Teil des Überschusses die Gruppen ernährte, die keine Landwirtschaft betrieben, sondern Städte und Monumente bauten, Priesterreligionen organisierten, Handel oder Kriege betrieben oder Macht über andere ausübten. Diese Entwicklungen waren dort besonders wirksam, wo fruchtbares Ackerland von Wüsten oder Bergen umgeben war und die Bauern nicht wegziehen konnten. Es ist also kein Zufall, dass die ersten Kulturen in Gebieten entstanden, wo Wasserkontrolle möglich war, umgeben von Gebieten, die Ackerbau unmöglich machten. Außerhalb dieser wenigen und relativ kleinen Gebiete praktizierten manche Menschen eine neolithische Art des Ackerbaus, andere hüteten Herden, wieder andere jagten und sammelten wie ihre Vorfahren.
Wasserkontrolle bedeutete automatisch Interaktion mit der Umwelt. Diese war aber nicht einseitig, und die Folgen waren je nach Umweltsituation verschieden. In manchen Gebieten verlor der Boden unter dem Druck der intensivierten Landwirtschaft seine Fruchtbarkeit oder wurde salzig und unproduktiv, was dann die Kultur untergrub, die diesen Druck geschaffen hatte. So war es etwa im unteren Mesopotamien. In Ägypten dagegen sorgten die Nilfluten in der Landwirtschaft jahrtausendelang für Nachhaltigkeit. In anderen Fällen – dem Küstengebiet Perus, den Anden, Mittelamerika, dem Südwesten der USA – machte die Abhängigkeit von ausreichenden Wassermengen die Landwirtschaft und damit ganze Kulturen anfällig für Klimaveränderungen. Das Schicksal dieser frühen wasserbasierten Kulturen hing jedoch nicht allein von der Gnade der Natur ab. Worauf es ankam, waren die Interaktionen zwischen der Veränderlichkeit des Klimas und der Widerstandsfähigkeit der davon betroffenen Gesellschaften. Einige Kulturen wie die Ägyptens und Nordmesopotamiens erwiesen sich als bemerkenswert widerstandsfähig und konnten sich nach jeder Krise erneuern. Andere wie die der Maya und der Anasazi brachen unter einer Kombination aus unbeständigem Klima und einer starren Gesellschaft zusammen und erholten sich nie wieder.

Aus dem Engl. v. Martin Richter. 2021. 640 S. mit 17 s/w Abb. u. 5 Kt., 16,5 x 24 cm, geb. mit SU.

Gletscherarchäologie

Textauszug von Thomas Reitmeier im AiD Sonderheft 21/2021

Seit mehreren Jahrzehnten erwärmt sich unsere Erde durch den menschengemachten Klimawandel, und als direkte Folge dieses mittlerweile stark beschleunigten Prozesses schmilzt das Eis von Gletschern und an den Polen. Dabei treten mitunter einzigartige Zeugnisse aus der Vergangenheit zutage, die zur Begründung eines vergleichsweise jungen Spezialgebiets der Archäologie geführt haben: der Gletscherarchäologie (glacial archaeology). Diese befasst sich ganz allgemein mit archäologischen Fundstellen bzw. Funden im Eis (aus der Kryosphäre), wobei der zeitliche bzw. thematische Rahmen von der Steinzeit bis ins 20.Jh. reicht und der räumliche all jene Gebiete umfasst, in denen (noch) Gletscher und Eisflächen oder Permafrostböden existieren. […]

[…] Während die zufällige Entdeckung von Ötzi vor
30 Jahren also noch als Einzelereignis (fehl-)eingeschätzt wurde, konnte sich in den letzten 20 Jahren eine eigentliche Gletscherarchäologie mit globaler und interdisziplinärer Perspektive etablieren. Die Alpen bleiben dabei weiterhin ein Hotspot, wie Neufunde aus den Nachbartälern des Eismannes, aber auch an schon länger bekannten Fundstellen zeigen – hier ist weiterhin mit spannenden Überraschungen zu rechnen. Die ältesten im alpinen Eis überlieferten Objekte reichen mittlerweile sogar in die Zeit um 6000 v. Chr. zurück. Es handelt sich um Geräte aus Geweih und Holz, die vor 8000 Jahren unterhalb der Fuorcla da Strem im Schweizer Kanton Uri auf rund 2800 m Höhe zum Abbau von Bergkristall dienten. Erst vor wenigen Jahren hat der dortige Gletscher – der Brunnifirn – die Kluft und die mittelsteinzeitlichen Werkzeuge freigegeben. Noch ältere Funde sind, zumindest im Alpenraum, kaum zu erwarten.

Pfeilspitze im Eis, norwegisches Jotunhelmen-Gebirge