Thema des Monats April

Pompeji

Thermopolium von Regio V, eine der cauponae/Garküchen in Pompeji, Detail des Tresens (Parco Archeologico di Pompei)

In einem offiziellen, für Karl III., den König von Neapel, bestimmten Bericht, datiert auf den 27. März 1748, bittet Roque Joaquín de Alcubierre, ein von der Antike begeisterter Militäringenieur, den der bourbonische Hof zehn Jahre zuvor mit den Ausgrabungen in Herculaneum beauftragt hatte, seinen König um die Erlaubnis, ein neues Gebiet namens Civita di Torre Annunziata erforschen zu dürfen. Es war der Startschuss für die Entdeckung Pompejis, eines der spannendsten archäologischen Abenteuer überhaupt.

Was Pompeji so einzigartig macht, ist nicht allein der Umstand, dass sich dort aufgrund des Vulkanausbruchs so etwas wie eine Momentaufnahme antiken Lebens erhalten hat. Die Überreste des Ortes gestatten darüber hinaus detaillierte Einblicke in die Abläufe der entsetzlichen Katastrophe. Eine Untersuchung über die Auswirkungen der pyroklastischen Ströme der Eruption von 79 n. Chr. auf Pompeji hat gezeigt, wie lange die Dauer der Ströme war und welch tragische Auswirkung sie auf die Bevölkerung hatten.

Die Archäologen, Architekten und Restauratoren, die sich heute dem Denkmalschutz und der „Erschließung“ der Vesuvstadt widmen, kommen nicht umhin, sich mit dem „zweiten Leben Pompejis“ auseinanderzusetzen, das mit der Wiederentdeckung bzw. dem Einsetzen der offiziellen Ausgrabungen im Jahr 1748 begann und bis heute andauert.

Es war der 6. November 2010, der Tag, an dem die Schola Armaturarum einstürzte. Der Vorfall hatte sich zu einem internationalen Skandal ausgewachsen, der sich durch weitere Einstürze verschlimmerte und weltweit für Schlagzeilen sorgte. Internationale Zeitungen prangern den Zustand der Vernachlässigung an, in dem sich das Flaggschiff des archäologischen Erbes in Italien befindet. Pompeji brauchte ein Großprojekt, das – endlich auch im urbanen Maßstab – alle kritischen Punkte auf einmal und vor allem rasch in Angriff nahm. 2012 ging das Grande Progetto Pompei an den Start.

Das gesamte Ausgrabungsgebiet wurde gesichert. Außerdem konnten zahllose Gebäude und Straßen, ja ganze Areale restauriert und der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden. Und schließlich wurde etwas auf den Weg gebracht, das bislang in Pompeji völlig gefehlt hatte: ein experimentelles Instandhaltungsprogramm.

2019 wurde das Thermopolium von Regio V, eine der Garküchen Pompejis teilweise ausgegraben und im Rahmen des Projektes partiell untersucht.

Das Thermopolium ist nicht nur ein weiterer Einblick in das tägliche Leben in Pompeji, sondern bietet auch außergewöhnliche Studienmöglichkeiten, da zum ersten Mal ein Bereich dieser Art vollständig ausgegraben wurde und alle Analysen durchgeführt werden konnten, die die heutige Technologie erlaubt. Die entdeckten Materialien wurden tatsächlich von einem interdisziplinären Team aus Fachleuten der physischen Anthropologie, Archäologie, Archäobotanik, Archäozoologie, Geologie und Vulkanologie ausgegraben und unter allen Gesichtspunkten untersucht. Die Funde werden im Labor weiter analysiert, und insbesondere von den Überresten, die in den Dolia (Terrakotta-Behältern) der Theke gefunden wurden, erwartet man außergewöhnliche Daten für das Verständnis dessen, was verkauft wurde und wie die Ernährung aussah.

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Prof. Dr. Massimo Osanna

Massimo Osanna leitete von 2016 bis 2020 den Archäologischen Park Pompeji. Er ist zudem Professor für Klassische Archäologie an der Universität in Neapel und forschte auch bereits in Heidelberg und Berlin. Seit Juli 2020 ist Massimo Osanna Generaldirektor der italienischen Museen und damit verantwortlich für mehr als 500 Museen, Monumente und Ausgrabungsstätten in Italien.

3D-Ansicht der caupona in der Regio V von Pompeji (Patrimonio Virtual).
Das Video gibt einen fantastischen Eindruck des Raumes.
(Video auf Youtube ansehen)

Lesen Sie auf antikewelt.de die vollständige Pressemeldung zur Erforschung des Thermopoliums, die Meldung über die digitale Rekonstruktion, sowie weitere Nachrichten über die Vesuvstadt.

Cover antike welt 221

In der aktuellen ANTIKEN WELT erfahren Sie u.a., dass der Begriff «Graffiti» (Sg. der/das Graffito) ein moderner ist und von den Ausgrabungen in Pompeji und Herkulaneum seit dem 18. Jh. herrührt. Weil man für die dort zu Tausenden gefundenen neuartigen Inschriften an Wänden und Fassaden noch kein Wort kannte, erfand man schlicht eines –vermutlich abgeleitet von dem italienischen Verb «graffiare» oder «sgraffiare».

Das Titelthema widmet sich ausführlich der in der Forschung zunehmend wertgeschätzten Quellengattung, die in großer Vielzahl in den Vesuvstädten, aber auch in anderen antiken Städten beobachtet werden.

Das große Gartenfresko in der Casa dei Ceii in Pompeji erstrahlt nach umfangreichen Restaurierungsarbeiten in seinem alten Glanz.

Das große Gartenfresko in der Casa dei Ceii in Pompeji, ® Luigi Spinav

Das Haus der Ceii, das zwischen 1913 und 1914 ausgegraben wurde, ist eines der seltenen Beispiele eines antiken Wohnhauses aus der späten samnitischen Periode (2. Jahrhundert v. Chr.). Der Besitz der Domus wird dem Magistrat Lucius Ceius Secundus auf der Grundlage einer gemalten Wahlinschrift, die an der Außenseite des Hauses gefunden wurde, zugeschrieben.

Wie ein Film, der mit der Zeit verblasst war und dann restauriert wurde, kehrt das große Gemälde, das die Rückwand des Gartens dieses Hauses schmückt, in seiner ganzen Pracht und Lebendigkeit zurück. Es zeigt eine Jagdszene mit wilden Tieren neben ägyptisierenden Landschaften, bevölkert von Pygmäen und Tieren des Nildeltas, die auf den Seitenwänden dargestellt sind. 
Mehr Informationen, Bilder und Videos zur Restaurierung unter antikewelt.de

Exklusiv: Artikel zum Download (PDF)

DER PRINCEPS DER SPIELE
Eine neue Grabinschrift aus Pompeji

In Pompeji sind Entdeckungen eine alltägliche Sache, vor allem durch den Grande Progetto Pompei, ein umfassendes Vorhaben zur Umsetzung der Schutzmaßnahmen, der Konservierung und der Erforschung des gesamten Stadtgebietes. Aber niemand konnte sich vorstellen, dass ein neues monumentales Grab in der Nekropole von Porta Stabia bei der Restaurierung eines Gebäudes des 19. Jhs., dem Verwaltungssitz des Archäologischen Parkes, entdeckt werden würde.

Autor: Massimo Osanna in ANTIKE WELT 5/2019

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Pompeji

Das neue Bild der untergegangenen Stadt

Es ist Anfang November 2010. Kurz bevor sich die Tore öffnen und die Besucher hereinströmen, stürzt in Pompeji eines der berühmtesten Gebäude ein. Seitdem sind zehn Jahre vergangen, in denen Pompeji buchstäblich neu erstand. Massimo Osanna führt durch die grandiosen Entdeckungen der letzten Jahre. Gemälde, Graffiti, Architektur, die hier zum ersten Mal in Buchform publiziert werden – mit vielen bislang unveröffentlichten Bildern.

Das Geheimnis der Fresken

Die Mysterienvilla in Pompeji

Die Mysterienvilla ist eine antike Villenanlage bei Pompeji, die beim Ausbruch des Vesuv im Jahr 79 verschüttet wurde. Aufgrund der dort gefundenen Fresken gilt die Villa als einer der bedeutendsten Fundorte der klassischen Archäologie. Das Hauptstück im Esszimmer der Villa ist der Mysterienfries. Die Frage, was die Fresken zeigen, beschäftigt seit der Entdeckung 1911 Generationen von Archäologen und Althistorikern.

Unter dem Vesuv

Ein Hörbuch von Holger Sonnabend

Pompeji war alles andere als ein beschaulich vor sich hindämmerndes Biotop. Vielmehr befand es sich seit einem verheerenden Erdbeben im Jahr 62 n. Chr. in einer gigantischen Aufbruchsstimmung. Überall wurde gebaut, alles war im Wandel begriffen. Doch dem spektakulären Boom bereitete der Vesuv ein jähes Ende. Holger Sonnabend erzählt in diesem Band anschaulich von Handel und Wandel über Kult und Kultur bis hin zu Essen und Trinken in einer antiken Stadt.

Neue Rechtsurkunden aus Pompeji

Bei den 1959 in Puteoli gefundenen Wachstäfelchen handelt es sich um den bisher bedeutendsten Fund römischer Rechtsurkunden. Sie gehören zum Archiv einer Darlehens- und Handelsbank in Pompeji. Ihre große Bedeutung liegt in dem außerordentlich guten Erhaltungszustand der Täfelchen. Die Fundsituation lässt darauf schließen, dass die Täfelchen aus einer Privatvilla stammen und durch Schutt und Schlamm konserviert wurden.

In Pompeji

Was Mozart, Twain und Renoir faszinierte

Die Geschichte Pompejis ist mit dem Ausbruch des Vesuv im Jahr 79 n. Chr. noch lange nicht zu Ende. So manches Leben nahm dort eine schicksalhafte Wendung. Unzählige Künstler, Schriftsteller und Herrscher ließen sich in den Straßen von Pompeji inspirieren. So auch Ingrid D. Rowland.

Die pompejanischen Quittungstafeln des Lucius Caecilius Iucundus

Im Jahre 1875 werden bei Ausgrabungen in Pompeji im Haus des L. Caecilius Iucundus 153 kleine Wachstafeln gefunden. Sie erweisen sich als im römischen Rechtsverkehr übliche urkundliche Quittungen, die Zahlungsvorgänge im Zuge der Tätigkeiten des Iucundus als Auktionator und Einzieher städtischer Pachten – überwiegend aus den Jahren 52 bis 62 n.Chr. – dokumentieren.

Mit ihnen erhalten wir einmaligen Einblick in konkrete Geschäftsvorgänge und in das wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Gefüge Pompejis in der frühen Kaiserzeit.