Thema des Monats April

Pflanzen und Gärten in Geschichte und Archäologie

Detail des Gartenfreskos aus der Villa der Livia, um 30 n. Chr., Rom, Museo Nazionale Romano

Die Umweltarchäologie beleuchtet die wechselseitigen Beziehungen zwischen Mensch und Umwelt in vergangenen Zeiten. Als Teil der Umweltarchäologie untersucht die Archäobotanik die Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Pflanze anhand von pflanzlichen Überresten aus archäologischen Grabungen. Sie erhellt nicht zuletzt die Kulturpflanzengeschichte. Mittels botanischer Großrestanalyse können archäologische Stätten räumlich differenziert werden indem beispielsweise spezielle Arbeitsbereiche in einem Siedlungsareal identifiziert werden. Zudem kann sie Hinweise zur sozialen Stratifizierung vormaliger Gesellschaften liefern. Ganz allgemein ist die Archäobotanik mit sämtlichen Fragestellungen verbunden, in denen pflanzliche Materialien eine Rolle spielen: Kulinarik und Ernährung, Heilpflanzennutzung, Viehfutter, Textilverarbeitung und Färberei, Flechterei, Holzverarbeitung, und vieles mehr.

Rinde, Bast, Leinen – Textiles aus der Steinzeit

Textilien – da stellt man sich als Erstes gewebte Stoffe und Kleidung vor. Die archäologische Forschung hat zumeist Flachs und Wolle im Visier. Funde aus der Mittelsteinzeit und jungsteinzeitlichen Pfahlbauten zeigen jedoch eine andere Seite des Webhandwerks: technische Textilien. Rohstoffe und Verfahren sind Schrittmacher technischer und ökonomischer Entwicklungen. Wir gehen der Bedeutung der verschiedenen Materialien nach mit einem Schwerpunkt auf der wichtigsten Rohstoffquelle: dem Gehölzbast.


Leseprobe

In Feuchtbodensiedlungen an voralpinen Seen hat sich ein großes Spektrum an organischen Resten erhalten, das die Frage aufwirft, welche Bedeutung Textilien im Alltagsleben der jungsteinzeitlichen Ackerbauern hatten. Haushaltsgegenstände wie Körbe oder Siebe, Rückentragen zum Transport, Seile zum Versatz von Lasten, Gerätschaften zum Fischfang oder Kleidungsstücke sind nur ein Teil der Funktionen, für die Textilien verwendet wurden. Gehölzbast, Rinde, Rundhölzer, Gräser und Binsen waren die wichtigsten Rohstoffe. […]

Die Geschichte und Bedeutung des Textilhandwerks lässt sich nur im Kontext der klimatischen Veränderungen im Laufe der Erdgeschichte verstehen. Sobald es die sich mit dem Wechsel von Warm- und Eiszeiten wandelnde Pflanzenwelt erlaubte, wurden Gehölzbaste, Wurzeln und Rundhölzer genutzt. Der spektakuläre Fund eines gezwirnten Schnurfragments aus dem Abri du Maras in Südostfrankreich, das in die Zeit zwischen 52 000 und 41 000 vor heute datiert wird, belegt die Kompetenz der Schnurherstellung bereits für die Zeit der Neandertaler. Mit dem Ende der letzten Eiszeit und dem Beginn der darauffolgenden Warmzeit gegen 11 300 vor heute standen dauerhaft Pflanzenteile zur Verfügung, die für die Herstellung von Textilien genutzt wurden.


Cover AiD 222

Leseprobe 2

Seit jeher liefern Linden (Gattung Tilia)Holz, Bast und Rinde, eine Bienenweide für Honig und aromatische Blüten für Tee. Bis in die Jungsteinzeit hinein wurden aus geraden alten Lindenstämmen häufig Einbäume gefertigt. Zudem produzieren Linden besonders zähe und biegsame Bastfasern, die in der Vorgeschichte wichtige Rohstoffe für diverse Textilien und Geflechte lieferten. Führte dies zu einer Übernutzung und einem damit einhergehenden Rückgang der Linden in den Wäldern? Oder lassen sich die Verschiebungen zwischen den Baumarten allein mit Klimaveränderungen und der Ausbreitung der konkurrenzstarken Buche erklären? Ein Blick auf die Geschichte der Linden in den europäischen Landschaften ist daher auch von Bedeutung für die Textilforschung.

Die vollständigen Beiträge und weitere Themen finden Sie im AiD Heft 2/2022 „Rinde, Bast, Leinen – Textiles aus der Steinzeit“

Naturkundemuseum Magdeburg
Elbauesaal im Naturkundemuseum Magdeburg

Naturkundemuseum Magdeburg

wbg KulturCard-Partner

Das Museum für Naturkunde bietet den Besuchern eine vielfältige und modern gestaltete Dauerausstellung auf über 1000 Quadratmetern. Dazu werden wechselnde Sonderausstellung angeboten, die sich den Themen Faszination Natur, Ökologie oder Natur- und Artenschutz widmen. Vom 8. Mai bis 11. September 2022 ist im Museum wieder die Ausstellung „ART & Vielfalt – Impressionen aus der Tier- und Pflanzenwelt“ zu sehen.

>> Mehr zum Museum

Nachlese

Sowohl AiD als auch ANTIKE WELT haben in der Vergangenheit mehrfach zu verschiedensten Aspekten von Flora und Fauna in Geschichte und Archäologie berichtet. Hier einige Meldungen zum nachlesen.

7000 Jahre altes Getreide verrät Ursprung der Schweizer Pfahlbauten

Nirgendwo sonst sind so viele jungsteinzeitliche Pfahlbausiedlungen bekannt wie rund um die Alpen. Wie dieser spezielle Bauboom seinen Anfang nahm, ist jedoch rätselhaft. Forschende der Universität Basel haben dank der Analyse von Getreide aus einer der Fundstellen nun neue Hinweise aufgedeckt: Eine Hauptrolle könnten Siedler am Varese-See in Norditalien gespielt haben.

Schon vor 3500 Jahren kam Blattgemüse auf den Tisch

Mehr als 450 Töpfe aus prähistorischer Zeit wurden untersucht, 66 von ihnen enthielten Reste von Lipiden, also wasserunlöslichen Substanzen. Im Auftrag des Nok-Forschungsteams der Goethe-Universität extrahierten Chemiker der Universität Bristol Lipidprofile, die Aufschluss über die verwendeten Pflanzen geben sollten.

Intensive Zucht von Schafen im Neolithikum

Vor über 7.500 Jahren legten frühe Bauern die Grundlagen für die Zucht von Vieh, die bis heute Bestand haben. Die Ergebnisse belegen erstmals, wie sich frühe Herden domestizierter Schafe auf der Iberischen Halbinsel ernährten und fortpflanzten. Sie sind derzeit das erste Beispiel für die Modifikation der saisonalen Fortpflanzungsrhythmen von Schafen mit dem Ziel, sie an die Bedürfnisse des Menschen anzupassen.

Gärten der Antike

Vor allem die prächtigen Gartendarstellungen auf den Wänden der antiken Wohnhäuser in Rom und in den Vesuvstädten vermitteln uns heute noch eine ungefähre Vorstellung vom Reichtum der römischen Gärten. Die Bilder zeigen üppig wuchernde Pflanzenparadiese, angefüllt mit Blumen, Bäumen und Kunstwerken. Manchmal sind es nur einzelne Wände, manchmal wurden ganze Zimmer mit Gärten ausgemalt, wie im Haus des Obstgartens (vgl. Abb. S. 98) und im Haus des goldenen Armreifs (vgl. Abb. S. 100) in Pompeji oder im Gartensaal der Villa der Livia in Rom. Gartenmauern bemalte man damals ebenfalls.
Die illusionistisch gestalteten Bilder sollten die oft sehr kleinen Gartengrundstücke optisch vergrößern und dem Wunsch der Gartenbesitzer nach schönen Ausblicken gerecht werden. Dementsprechend spiegeln die Gartenbilder Ausstattung und Gestaltung der damaligen Gärten: Zäune, Vasen, Brunnen, Gartenmöbel und Skulpturen, wie sie auf den Bildern zu sehen sind, wurden auch bei Ausgrabungen gefunden.

Viele der dargestellten Bäume, Sträucher oder Blumen im Vordergrund der Wandbilder auf den Gartenmauern und den Wohnräumen lassen sich bestimmen. Auch wenn es bei einzelnen Darstellungen in der Fachwelt mitunter Diskussionen gibt, sind die Gartenbilder ein wichtiger Schlüssel zum Wissen über die Gartenpflanzen der Römer. Neben den Gewächsen bilden die Wandmalereien auch Vögel ab, einheimische Arten, etwa Tauben, Teichhühner oder Ziergeflügel wie Pfauen, von denen wir wissen, dass sie in den römischen Gärten lebten.

In Griechenland legte man, weil der Platz in den Städten begrenzt und kostbar war und weil Wasseranschlüsse fehlten, Gärten rund um die Stadtmauern in Vororten und ländlicheren Zonen an. Dort wurden auch Gemüse und Blumen für den Markt angebaut. Obst und Wein züchtete man auf den weiter außerhalb liegenden Bauernhöfen. Die Nutzgärten der Bauernhöfe lagen vom Haus etwas entfernt und waren vor Eindringlingen durch Mauern oder Zäune geschützt. Lange Zeit galten Gärten in Griechenland als ein Luxus, auf den man zur Not verzichten konnte. Der Geschichtsschreiber Thukydides (um 454–ca. 396 v.Chr.) notierte etwa, dass Perikles seine Athener Landsleute aufforderte, die im Krieg gegen Sparta verwüsteten Gärten
als entbehrlichen Besitz zu betrachten und nicht weiter zu betrauern.
Gleichwohl waren Gartengrundstücke rund um Athen teuer. Der Philosoph Platon (um 428–347 v.Chr.) bezahlte für seinen Garten in einem Vorort von Athen im Jahr 388 v.Chr. 2000 Minen. Sein Berufskollege Epikur (um 341–270 v. Chr.) kaufte seinen Garten später sogar für 8000 Minen. Weiter entfernt von der Stadt, im Inland der attischen Halbinsel waren Gärten hingegen schon für etwas über 200 Minen zu bekommen. Eine Möglichkeit auch für weniger wohlhabende Athener, einen Garten zu nutzen, war die Pacht. Für 30 bis 70 Minen im Jahr kam man in den Genuss eines eigenen Grundstücks auf Zeit.

Auszug aus dem EBook »Akanthus und Zitronen« von Stephanie Hauschild. Die Archäologin und Kunsthistorikerin ist Spezialistin für Gartengeschichte. Sie hat zahlreiche Bücher zum Thema veröffentlicht und ist Preisträgerin des Deutschen Gartenbuchpreises.