Die Seidenstraße

Thema im August 2022

Eine Handelsroute vom Mittelmeer bis nach Ostasien – ein komplexes Netz von rund 6.400 Kilometern

Leiern aus Sutton Hoo und Trossingen haben Verwandtschaft in Kasachstan

Musiker benutzten im frühmittelalterlichen Nordeuropa eine bestimmte Art von Leier. Eines dieser Saiteninstrumente wurde beispielsweise in dem berühmten Schiffsgrab von Sutton Hoo aus dem 7. Jh. gefunden. Jetzt hat die Forschung eine weitere dieser Leiern identifiziert – über 4.000 km entfernt in Kasachstan.

Älteste Münzprägestätte der Welt in China gefunden

Die älteste sicher datierte Münzprägestätte, die zwischen 640-550 v. Chr. in Betrieb genommen wurde, wurde in Guanzhuang in China gefunden. Standardisierte „Spatenmünzen“ – wahrscheinlich die ersten Metallmünzen – wurden an dieser hoch organisierten Stätte in Massenproduktion hergestellt. 

Das Hirayama Ikuo Silk Road Museum

Die Sammlungen des Museums umfassen mehr als 10 000 Kunstobjekte aus den Regionen der Seidenstraße. Außerdem moderne Gemälde des Gründers Ikuo Hirayama (1930–2009), der auch als erfolgreicher Maler in japanischem Stil (Nihon-ga) tätig war. 

Netzwerk Seidenstraße

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in der ANTIKEN WELT Sonderheft 14/2022

Brücke zwischen Ost und West, Vergangenheit und Gegenwart

Wo liegen die Ursprünge der Seidenstraße?

Der 1877 vom deutschen Geologen und Geografen Ferdinand Freiherr von Richthofen (1833–1905) geprägte Begriff der «Seidenstraße(n)» bleibt irreführend, denn die Wege waren lediglich teilweise befestigt und folgten beileibe keiner festgelegten Strecke. Faktoren wie Kriege, Überfälle oder Naturereignisse zwangen die Karawanen immer wieder, neue Routen zu finden. Zudem wurde nicht nur die namengebende Seide auf dieser Strecke transportiert, sondern alles, was irgend denkbar war. […]

Es wurden nicht nur Handelsgüter und Rohstoffe über dieses Netzwerk transportiert, sondern auch Kulturpflanzen verteilt sowie Ideen und Ideologien verbreitet: Neben dem namengebenden Stoff Seide gelangten Metall und Lackwaren, Porzellan, Felle, Elfenbein- und Jadeschnitzereien, aber ebenso Früchte und Gemüse und nicht zuletzt Gewürze, Arzneien und Tee in den Westen. Umgekehrt fanden Bernstein, Weihrauch, Minerale, Pferde und Kamele, zudem Sklaven, doch genauso Nutzpflanzen ihren Weg gen Osten. Zudem wurden Gold, Edelsteine und Glas in großen Mengen ostwärts geführt, wodurch aus östlicher Perspektive die Route ebenso «Glasstraße» genannt werden könnte. Man darf nicht vergessen, dass sich Namen wie Goldstraße (aus Burma), Fellstraße (aus den nördlichen Steppen Sibiriens und der Mongolei), Bernsteinstraße (aus dem europäischen Norden) und Weihrauchstraße (aus dem Südosten Arabiens) für andere Handelsrouten einbürgerten, wenngleich sie bei Weitem nicht den Bekanntheitsgrad der Seidenstraße erlangten. Zu den bedeutendsten Erfindungen, die auf diesem Wege aus dem Fernen Osten bis nach Europa gelangten, gehörten im Laufe der Jahrhunderte Papierherstellung und Druckverfahren, Schießpulver, der Abakus, Drillmaschine (Aussaat in parallel geführten Furchen), Schubkarre, Steuerruder und Kompass, Papiergeld (aus der Rinde des Maulbeerbaums), Regenschirm (ölgetränktes Papier), das Wissen um die Porzellan- und Seidenherstellung, Gusseisen, chemische Prozesse wie Destillation und medizinische Anwendungen wie Akupunktur, Qi- und Pulslehre. Diese Vielzahl an Innovationen, Rohstoffen und Erzeugnissen ist dennoch nur ein bescheidener Überblick innerhalb einer weit größeren Versorgungsmaschinerie. […]

Impressionen aus dem ANTIKE WELT Sonderheft

Jenseits der Seidenstraße

Palmyra und Hatra

Mehr als Karawanenstädte in der Wüste

Im späten 3. Jh. n. Chr. erklärte Königin Zenobia aus Palmyra den Römern den Krieg. Für kurze Zeit schaffte es die dynamische Frau das Römische Reich von Anatolien bis Ägypten unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Stadt Palmyra, aus der sie stammte, war ein kosmopolitisches Zentrum entlang der Ostgrenze des Römischen Reiches im heutigen Syrien. Der Ost-West-Handel zwischen Rom und Iran, so die Geschichte, hatte die Stadt reich gemacht.

Schon im 17. Jh. wurde der Reichtum Palmyras den Europäern bekannt, erschienen Berichte und Illustrationen der architektonischen Überreste und eindrucksvollen Grabporträts, die heute in Museen in aller Welt zu sehen sind. Jetzt aber ist Palmyra auf dem Radar der Öffentlichkeit, weil beträchtliche Teile von ISIS-Kämpfern zerstört wurden. Der Grabungsleiter und letzte Direktor des Antikenmuseums, Khaled Asaad, wurde im August 2015 entführt und ermordet. Eines der eindrücklichsten Zeugnisse der vorislamischen kosmopolitischen Welt ist nahezu ausgelöscht.
Zenobia aber hat Generationen von Historikern und Historikerinnen fasziniert: als Vorbild einer weiblichen Monarchin und starkes Symbol der Unabhängigkeit. Auch wenn Palmyra seit 14 n. Chr. Teil des Römischen Reiches war, deutet Zenobias kühner Griff eher auf eine Macht hin, die entlang der Ostgrenze Roms in lokaler Hand verblieb. Jenseits von Zenobias Palmyra hielten diese lokale Macht Königreiche wie Armenien, Hatra, Adiabene und Osroene, die sich über das nördliche Mesopotamien bis in den Südkaukasus erstreckten. Diese Königreiche entwickelten sich nach dem Sieg Alexanders des Großen über das Perserreich beträchtlich. Sie blieben aber in unterschiedlichen Abstufungen recht autonom, fielen lediglich in den Bannkreis von Alexanders Nachfolgern und dann entweder in jenen von Rom oder der Parther. Einige, insbesondere Armenien, spielten eine zentrale Rolle im Konflikt zwischen Rom und dem Partherreich. Hatra und Palmyra sind dagegen als Drehscheiben für Handelsaktivitäten «entlang der Seidenstraße» bekannt geworden. Denn der Handel mit den Reichtümern Zentralasiens und Chinas lief häufig über Hatra und Palmyra. Aus diesem Grund werden sie in der Forschung oft auch als Karawanenstädte bezeichnet – ein unglücklicher und unpassender Ausdruck, der sie zu Wegstationen in der Wüste degradiert. Wie ihre beeindruckende Architektur dagegen zeigt, hatten sie und ihre Bewohner eine viel größere kulturelle Bedeutung und zwar nicht nur als Handelsstädte, sondern als Orte kultureller Innovation und des Austauschs, die in die Reiche hineinstrahlten. Wer waren die Bewohner Palmyras? Wie schafften sie es ihre Wüstenoase in ein Zentrum zu verwandeln, von dem man in Rom schrieb, und das schließlich mächtig genug wurde, um es mit dem Römischen Reich aufzunehmen?


Antike Welt 520 Jenseits der Seidenstraße

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in der ANTIKE WELT 5/2020