Thema des Monats Mai

Der Fall großer Reiche

Das Römische Reich der Antike war das größte und dauerhafteste Reich, das die Welt bis dahin gesehen hatte. Doch es gab damals noch viele andere bedeutende Imperien. Die frühesten entstanden an großen Strömen – am Nil, am Euphrat, am Tigris. Die ägyptischen Pharaonen und die Herrscher des Zweistromlandes führen daher zeitlich die Riege großer Mächte der Antike an. Ihnen folgten die Griechen und die Perser. Mit Alexander dem Großen kann die Antike eine Persönlichkeit mit einem absoluten Alleinstellungsmerkmal aufbieten: Niemals in der Geschichte eroberte ein einzelner Mann in so jungen Jahren ein größeres Reich als der König der Makedonen, der bereits mit 32 Jahren starb. Auf der Liste stehen aber auch Völker, die heute, in der Rückschau, nicht mehr im ganz großen Scheinwerferlicht stehen, die in ihrer Zeit aber gehörig für Furore sorgten. Jedoch bestätigen auch sie die Regel: Alle antiken Supermächte waren Imperien mit begrenztem Haltbarkeitsdatum. Selbst das Römische Reich blieb von dieser Gesetzmäßigkeit der Geschichte nicht verschont. Dabei waren die stolzen Römer felsenfest davon überzeugt gewesen, ein Reich ohne Grenzen geschaffen zu haben – sowohl den Raum als auch die Zeit betreffend.
Auszug aus dem neuen Band von Holger Sonnabend „Aufstieg und Fall großer Reiche“.

Der Untergang des Römischen Reiches

Das Ende des Römischen Reiches im Westen treibt die Menschen seit Jahrhunderten um. Oft sind die Erklärungen enger mit dem Zeitgeist ihrer Entstehung verbunden als mit realen Ursachen für den Zerfall. Die aktuelle Forschung stellt ein Geflecht aus sich gegenseitig bedingenden und beschleunigenden Ereignissen und Prozessen in den Vordergrund.


Leseprobe

Jahrhundertelang waren die römischen Legionen eine der Klammern, die das Reich zusammenhielten. Nach verheerenden Bürgerkriegen und Niederlagen gegen äußere Feinde wurde das Militär reformiert und kämpft e ab dem 4. Jh. n. Chr. mit veränderter Ausrüstung und neuen Taktiken. Aber die zunehmende Militarisierung der römischen Gesellschaft förderte auch die Macht neuer Eliten, die schlussendlich nur wenig Interesse am Fortbestand des Reiches hatten.

Das Imperium Romanum wird oft als Militärmonarchie bezeichnet. Kaiser wurde und blieb, wer die meisten Legionen hinter sich versammeln konnte, Usurpatoren griffen zumeist nach der Macht, indem sie unzufriedene Truppen um sich scharrten. Diese Art der Herrschaft kulminierte im 3. Jh. n. Chr. in der «Reichskrise», hervorgerufen durch jahrzehntelange Bürgerkriege zwischen «Soldatenkaisern», die meist nur kurz herrschten. An Rhein und Donau, aber auch an anderen Grenzabschnitten kam es zu Einbrüchen von «Barbaren», deren Plünderungszüge oft bis tief in das Innere des Reiches führten.

Cover Antike Welt 322

Leseprobe 2

Symptomatisch für die Phase der Auflösung des Weströmischen Reiches ist die Gleichzeitigkeit von Diskontinuitäten und Kontinuitäten religiöser Vorstellungswelten in Spätantike und Frühmittelalter. Neben dem sich trotz seiner Erhebung zur Staatsreligion und Übernahme durch die Franken nur allmählich ausbreitenden Christentum verweisen verschiedene schriftliche und archäologische Zeugnisse auf unterschiedlich langlebige pagane Traditionen, die vor allem unter der ländlichen Bevölkerung fortlebten.

Immer wieder sind es Hinweise gerade aus dem ländlichen Raum, die das konservative Festhalten einheimischer sowie dann zunehmend auch neuer Bevölkerungsgruppen an bisherigen Kultpraktiken belegen. Hierzu zählen die etwa in der Germania prima immer wieder beobachtete Beigabensitte bei Grablegen des 5. Jhs. n. Chr., die auf entsprechende Jenseitsvorstellungen verweisen, genauso wie späte Grabsteine aus der Germania secunda (Heimbach, Inden-Pier, Jülich, Zülpich), die mit herkömmlichen Widmungen an die Totengötter (Dis Manibus) einsetzen.


Die vollständigen Beiträge und weitere Themen finden Sie im ANTIKE WELT Heft 3/2022 „Der Untergang des Römischen Reiches“

Grab des Kriegers von Kemathen Bild: Römer und Bajuwaren Museum Kipfenberg

Römer und Bajuwaren Museum Kipfenberg

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Das familienfreundliches Museum liegt direkt am UNESCO-Welterbe Limes und dem geographischen Mittelpunkt Bayerns. Einmalige archäologische Funde, Rekonstruktionen und Mitmach-Stationen laden ein, das Alltagsleben der Römer und römischen Grenzsoldaten in der ehemaligen Provinz Raetien zu erkunden. Höhepunkt der Ausstellung ist der spektakuläre Fund des Kriegers von Kemathen, der als „Urbayer“ gilt. Die Rekonstruktion seiner Grabkammer und die 1.600 Jahre alten Grabbeigaben bieten einen einmaligen Einblick in seine Lebenswelt.

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Dass Imperien zerfallen, ist an sich nicht erklärungsbedürftig; gerade das Römische Reich bestand länger als die meisten anderen. Wir wollen verstehen, wie das geschah und was die Bedingungen und Folgen waren. Dabei ist der Vergleich mit anderen Imperien Eurasiens aufschlussreich. Interessant ist etwa, dass ebenso wie beim ‚Fall Roms‘ beim Untergang der chinesischen HanDynastie im 3. Jahrhundert ein Teil des Reiches fortbestand, während der Rest unter die Herrschaft ‚barbarischer‘ Söldner geriet. Beim Zerfall des AbbasidenKalifats im 10. Jahrhundert blieb die Autorität des Kalifen unangetastet, auch wenn er seine Macht verloren hatte. Unterschiedlich war in diesen drei Fällen freilich, wann und in welchem Maß neue Imperien an das Vorbild der alten anknüpfen konnten. In China etablierte sich unter der TangDynastie (7.–9. Jahrhundert) das geeinte Imperium als Norm, dessen Unterbrechung als Krise empfunden wurde. Im islamischen Bereich konnten erst die Osmanen seit dem 15. Jahrhundert wieder eine ähnliche Größe wie das Kalifat erreichen. Im Westen aber blieb seit 800 das Heilige Römische Reich sowohl an Ausdehnung als auch an innerer Kohärenz weit hinter dem weströmischen Vorbild zurück. Walter Scheidel hat vor Kurzem argumentiert, dass diese politische Pluralität für den Erfolg des westlichen Modells entscheidend war. Diese Wertung mag diskutierbar sein, die Diagnose kaum. Das Weströmische Reich wurde ersetzt durch eine Vielzahl von Reichen, die nach Völkern benannt wurden. Auch wenn die Reiche der Goten, Vandalen und Langobarden bald verschwanden: Das Prinzip einer relativ stabilen Vielfalt von Völkern und Staaten blieb die Grundlage des politischen Systems in Europa.

Auszug: Walter Pohl – Warum ging das Römische Reich unter? Deutungen zum Untergang – der Stand der Diskussion, in „Untergang des Römischen Reiches“ Ausstellungskatalog

Wie stirbt ein Reich und wie verwaisen einst blühende Metropolen?

Der reich illustrierte Begleitband zur großen Sonderausstellung in Trier ab 25 Juni 2022 gibt einen Überblick über die aktuellen Deutungen und den Stand der Diskussion zum „Untergang“ des Römischen Reiches. Er entwirft zugleich ein großes Bild der Entwicklungen im Römischen Reich vom 3. bis zum 5. Jahrhundert. Was bleibt schließlich? Wie das Römische Reich und sein Untergang mal als „schlimmstes Unglück“, mal als „glänzender Triumph der Freiheit“ immer wieder neu interpretiert, gedeutet und verarbeitet wurden.

Hrsg. von der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz in Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum Simeonstift Trier und dem Museum am Dom Trier. 2022. 465 S. mit über 500 farb. Abb.

Aufstieg und Fall großer Reiche

Das Ende der ersten europäischen Festlandskultur war lange Zeit ein Rätsel. Doch neuere Forschungen bringen Licht in das Dunkel. Waren die mächtigen Mykener an ihrem Untergang selbst schuld?

Die Burg Mykene auf der Peloponnes, im Norden der Landschaft Argolis, wurde zur Namenspatronin einer ganzen Epoche der griechischen Frühgeschichte. Andere Fürsten saßen in ähnlichen Palästen auf der Peloponnes, in Bötien und Attika. Neben dem Stammsitz hatten die Herrscherresidenzen in Pylos, Tiryns, Theben und Orchomenos eine große Bedeutung. Sie waren eigenständig, erkannten aber die Vorrangstellung des Königs von Mykene an. Wenn sie in den Krieg zogen, hatte er die oberste Befehlsgewalt.
Und sie zogen oft in den Krieg. Zu den Waffen zu greifen, gehörte gewissermaßen zur DNA der Mykener. Sie waren Teil einer großen Wanderungsbewegung indoeuropäischer Völker gewesen, die um 2000 v. Chr. den Balkan und große Teile des griechischen Festlandes besetzt hatten. Das war gegen den erbitterten Widerstand der einheimischen Bevölkerung geschehen. Aber die fremden Krieger hatten sich durchgesetzt, die Einheimischen unterworfen und sich in ihre Trutzburgen zurückgezogen.

Alexander der Große oder der Hunnenkönig Attila, die Wikinger oder die Hanse, das Haus Habsburger oder die Hohenzollern: Nicht nur militärische Gewalt, sondern auch Handel, diplomatisches Geschick und eine kluge Heiratspolitik sind Mittel, Macht zu erlangen und zu sichern. Holger Sonnabend, Professor für Alte Geschichte, verfolgt Aufstieg, Glanz und Untergang mächtiger Zivilisationen und Staaten vom Altertum bis in die Neuzeit und beleuchtet die Erfolgsstrategien und Herrschaftsmodelle sowie die Gründe für den Niedergang.

Ein Buch zu 3500 Jahren Weltgeschichte, das sich dem Werden und Vergehen von großer Mächte widmet – mit mehr als 200 Abbildungen, die die Kulturen greifbar machen!